Band 13 - Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte

Der Klang der Stadt

Musikkultur in Halle vom 17. bis zum 20. Jahrhundert

Es erscheint uns als Selbstverständlichkeit, dass die Stadt Trägerin des Musiklebens ist. Wir gehen aus vom Vorhandensein einer Oper, eines oder mehrerer professioneller Orchester, eines Konservatoriums mit eigenen Ensembles; wir erfreuen uns an Schulorchestern, Kan­to­reien, Chören, Bläser-, Akkordeonvereinen, Jazz-, Rock- und Popgruppen; wir wissen um private Hausmusiken; wir vernehmen in Einkaufspassagen die Weisen der Straßen­musi­kanten, in Gast- und Kaufhäusern die dezente Lautsprechermusik oder in der Straßenbahn die Zischlaute vom verdrahteten Gegenüber. Das und vieles mehr ist gemeint, wenn vom Klang der Stadt die Rede ist, auch unmusikalische Laute und Geräusche, die das Leben in der Stadt hervorbringt: das Singen der Straßenbahn, das Rauschen der Autos, das Klopfen der Hand­werker, das Reden oder Gelächter der Passanten, das Geläut von den Türmen.

Aber die hübsche Metapher vom Klang der Stadt, die Holger Zaunstöck als Titel des 9. Tages der hallischen Stadtgeschichte vorgeschlagen hat, besagt noch mehr: Die Stadt hat ihren eigenen Klang – wobei mit Stadt das Gemeinwesen mit eigener Verwaltung und Jurisdiktion gemeint ist, das sich von der ländlichen Umwelt abhebt und dessen Bürger frei und nur der gewählten Obrigkeit und (in früheren Zeiten) dem Landesherrn unterstellt sind. Der Klang der Stadt unterschied sich jahrhundertelang durch seine Vielfalt von der Stille oder den derben Lauten im Dorf und vom Geklirr auf der Burg oder den verfeinerten Tönen im Schloss. Heute erst haben dank technischer Medien in unseren Breiten die Lebensform der Urbanität und ihre Akustik auch das weite Land erfasst.

Der Klang ist nicht immer der gleiche, er entsteht, er wandelt sich, er hat Geschichte. Er hängt ab von der Landschaft, von der Struktur und Mentalität der Gesellschaft, von der Größe und vom Wohlstand des Gemeinwesens und nicht zuletzt vom Zufall der Anwesenheit schöp­feri­scher Köpfe. Und er ist auch nicht immer harmonisch – selbst dann nicht, wenn man die Geräusche überhört und nur aufs Klingende achtet: Wir erleben es in diesen Tagen, dass die „städtische Symphonie“ (eine Wortprägung des Historikers Otto Borst) gestört ist.

Im vorliegenden Band der Reihe „Forschungen zur hallischen Stadtgeschichte“ wird der Blick zurückgewandt und in den Beiträgen Streiflichter geworfen auf einige Akteure, die in unserer Stadt für Musik und mit Musik gewirkt haben.

Prof. Dr. Wolfgang Ruf

Wolfgang Ruf (Hrsg.)

Halle 2009 mdv,
Format 148 x 210 mm, 256 S., Festeinband
EUR 20,00
ISBN 978-3-89812-671-7

Der Herausgeber

Wolfgang Ruf, geb. 1941, Studium der Musikwissenschaft und Geschichte in Freiburg i. Br., 1974 Promotion, 1974–1985 wiss. Mitarbeiter an der Universität Freiburg i. Br., 1984 Habilitation, 1985 Professor für Musikwissenschaft an der Universität Mainz, 1994–2006 an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg.

Inhalt

Wolfgang Ruf

Die Stadt als Trägerin der Musikkultur

Klaus-Peter Koch

Der Dreißigjährige Krieg und seine Reflexion in der halleschen Musikkultur

Edwin Werner

„… es rührte aber alles vom Zachau und vom Orgelschlagen her.“ Halle an der Saale im politischen und kulturellen Wandel zwischen 1680 und 1705 – Ausgangspunkt für Georg Friedrich Händels künstlerische Entwicklung

Wolfgang Hirschmann

Pietismus und Empfindsamkeit. Zu den Kantatendichtungen von Johann Jacob Rambach (Halle 1728)

Cordula Timm-Hartmann

Wilhelm Friedemann Bach und seine Schüler in Halle

Kathrin Eberl-Ruf

Die Musikkultur in Halle vom Ende des Siebenjährigen Krieges bis zur napoleonischen Besetzung

Günter Hartung

Reichardt und die Musik in Halle

Götz Traxdorf

Der Kantor Carl Gottlob Abela (1803–1841) in den Franckeschen Stiftungen – Hinweise zur musikalischen Unterweisung des Schülers Robert Franz

Konstanze Musketa

Das Hallische Händelfest 1922

Gert Richter

„Wikinger“ aus der Saalestadt – Ideologie und Realität hallescher Händelpflege in der Zeit des Nationalsozialismus

Karin Zauft

Halles Opernbühne: „Stilbildende Schule“ für die Aufführungspraxis der Barockoper in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts

Gilbert Stöck

Der Komponist Gerhard Wohlgemuth im Kontext des halleschen Musiklebens zwischen 1950 und 1960