Von der letzten Bruth und Frucht des Teuffels – Die Zeit der Kipper und Wipper in Halle
Autorinnen: Annekathrin Brückner und Rebecca Znamiec
?Erstveröffentlichung im Kulturfalter, Ausgabe Januar 2018, S. 30-31
Die Zeit der ?ipper und Wipper umfasste einige Jahre zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges. Sie war durch erhebliche Geldentwertung gekennzeichnet. Ihren Höhepunkt erreichte sie mit der Hyperinflation zwischen 1620 und 1623. Der Doppelbegriff leitet sich vom „Wippen“ der Waagschale und dem „?ippen“, dem Aussortieren der schwereren, besseren Münzen, ab. Ziel des Kippens und Wippens war eine Reduzierung des Edelmetallanteils der Münzen. Dessen Ursachen lagen im Rückgang der Silberproduktion, im höheren Geldbedarf durch die Luxusbedürfnisse der deutschen Fürstenhöfe und im sprunghaften Anstieg der Rüstungsausgaben. Auch wurden kleinere Münzen nur selten geprägt, da ihr Silbergehalt höher war als der Nennwert, was einen dauernden Mangel an Kleingeld mit sich brachte.
Die Inflation verstärkte sich dadurch, dass die Bürger in den ersten Monaten das wertvolle Geld gegen die doppelte Menge an minderwertigem Geld tauschten, um aus diesem Geschäft Profit zu schlagen. Hieraus resultierten Not, Verarmung und Hunger. Die Hauptbetroffenen waren die Bezieher von Festeinkommen, zum Beispiel Pfarrer. Mit der Geldentwertung auf der einen und dem Anstieg der wirtschaftlichen Produktion auf der anderen Seite stiegen die Preise dramatisch an. Durch das Eingreifen der Obrigkeit, deren Staatseinnahmen mittlerweile aus minderwertigen Münzen bestanden, verschwand allmählich das Kupfer. Zudem wurden die Landesgrenzen durch das Militär kontrolliert. Es gab Verbote aller Art, die Beschränkung von Zahlung in kleiner Münze und eine zunehmende Abwertung der Kippermünzen. Nur Stücke mit Kontrollstempel sollten noch zirkulieren. Der Münzverlust ging zu Lasten der staatlichen Kassen.
Ein Kämpfer gegen die Inflation war der 1576 in Ummendorf geborene Andreas Lampius, Sohn eines Pfarrers. Er besuchte die Schulen in Braunschweig und Naumburg, wechselte 1597 an die Universität Jena und erwarb 1599 den Magistergrad. 1600 ging Lampius als Hofmeister nach Leipzig, bis er sich 1603 entschied, als Konrektor in Quedlinburg zu arbeiten. Im Jahre 1605 wurde er Pastor zu S. Laurentii auf dem Neumarkt vor Halle. 1621 veröffentlichte er in Leipzig seine Schrift ,,De Ultimo Diaboli foetu Das ist/ Von der letzten Bruth und Frucht des Teuffels/ den Kippern und Wippern/ wie man die nennet“. Lampius verstarb im Alter von 51 Jahren am 13. April 1627.
In seiner Klageschrift „Von der letzten Bruth und Frucht des Teuffels/ den Kippern und Wippern“ geht es um die Inflation der Kipper- und Wipperzeit. Zunächst beschreibt Lampius, dass jede menschliche Tätigkeit dem göttlichen Plan folge: „Es sey ein Stand so gering als er wolle/ so hat doch ein Mensch darinnen den Trost/ daß er in einem Göttlichen Stande sey/ und daß ihn auch ohn allen Zweifel Gott darein gesetzet habe […]“. Darauf brandmarkt er Unredlichkeiten in den einzelnen Berufen wie Preismanipulationen oder Betrügereien beim Zumaß. Doch auch wenn die Händler betrügerisch handelten, entspräche dies immer noch Gottes Ordnung: „Es ist aber mit dieser sehr grossen Ungerechtigkeit/ Schind- und Wucherhändeln noch lauter nichts/ gegen dem/ vom Teuffel newerdachtem Wucher/ dem Wippen oder Kippen [...]“. Den Beweis führt er im hinteren Teil seines Werkes, in dem er die Verstöße der Kipper und Wipper entlang der Zehn Gebote Gottes im Detail beschreibt.
Die Gegenansicht zur Klageschrift von Lampius stellt die 1622 in Frankfurt veröffentlichte Schrift „Expurgatio oder Ehrenrettung der armen Kipper und Wipper so mit großer Leibes und Lebens Gefahr jetziger Zeit ihrer Nahrung mit dem Wechsel suchen“ dar. Vor der Wipper- und Kipperzeit waren die Fälscher, die gegen die Münzordnung verstießen, von der Obrigkeit verfolgt und hingerichtet worden. Der das Pseudonym Kniphard Wipper tragende Verfasser vertritt die Haltung, dass die Obrigkeit an der Situation Schuld sei, da sie den Kippern und Wippern die Aufträge erteile: „So ist als denn Schuld niemand als Ihnen selbst […].“ Man erkenne die Wappen der Obrigkeit auf den gefälschten Münzstücken und nicht die der Wipper und Kipper – die Münzprägung hätte nie von diesen allein ausgeführt werden können.
In Halle wurde die Misere jedenfalls sehr deutlich. Nachdem die Preise stetig gestiegen waren, brach große Verwirrung unter der Bevölkerung aus. So musste man 1620 für einen Scheffel Weizen 40 Gute Groschen (Ggr) zahlen, ein Jahr später erhöhte es sich auf 175 Ggr. Um gegen die Unruhe vorzugehen, machte der Rat der Stadt von seinem alten Recht Gebrauch, kupferne Pfennige prägen zu lassen. Trotzdem brachen auch in Halle Tumulte aus. Die Aufständischen stürmten, plünderten und verwüsteten etliche Häuser, die man in Verbindung mit der Kipperei brachte. Als das Haus eines Nadlers in der schmalen Gasse bei der Marienkirche gestürmt wurde, griff der Administrator Christian Wilhelm von Brandenburg mit Gewalt ein. Viele der dort gefangenen Empörer wurden vor Gericht gestellt. Schließlich erließ der Landtag ein Mandat, das minderwertige Münzen verbot und ordnete an, gute Geldsorten nicht über ihren Wert auszugeben. Zusätzlich wurde ein Tarif über Höchstpreise von Waren und Löhne erlassen.
Im Rahmen eines Projektes beschäftigten sich fünf Auszubildende zum Bankkaufmann/ -frau der Berufsbildenden Schulen IV „Friedrich List“ in Halle mit der Kipper- und Wipperzeit.