Anne Purschwitz: Der Warenhausdiebstahl. Die neue Einkaufskultur und ihre Folgen
Seit Mitte des 19. Jahrhunderts entstand mit den Warenhäusern eine ganz neue Einkaufskultur, die einen ersten Höhepunkt um die Jahrhundertwende erreichte. Begehrenswerte, und aufgrund der Massenproduktion deutlich preiswertere Waren wurden nun nicht mehr hinter Ladentheken unterreichbar für die Kundinnen und Kunden aufbewahrt, sondern rückten prächtig und dekorativ in greifbare Nähe. Dies weckte in manchen Fällen mehr Wünsche, als das Haushaltsgeld im Geldbeutel zuließ. Der Kaufhausdiebstahl entwickelte sich zu einem neuen Phänomen, dass die Gesellschaft ins Grübeln brachte. Denn die meist weiblichen ‚Diebinnen‘ traten in zahlreichen Gestalten in Erscheinung. So entwendeten längst nicht die Bedürftigen der Unterschichten die ausliegenden Waren, sondern in den meisten Fällen wohlsituierte bürgerliche Hausfrauen und manchmal gar Frauen von hochrangigen Beamten. Zwischen Psychologie, Medizin, Kriminalistik und Justiz begann nun ein Disput, ob diese neue Form von meist weiblicher Kriminalität eher als Krankheit oder als Devianz zu behandeln sei.